Nr. 40: Für eine offene Gesellschaft

Für eine offene Gesellschaft: Türöffner & Brückenbauer

Stadtteilkultur öffnet Türen für die offene Gesellschaft, bietet Teilhabemöglichkeiten und Raum für Entwicklung und Diskurs. Populismus, Rassismus und gesellschaftlicher Spaltung wird gleichzeitig entgegengewirkt.

Die Einrichtungen und Initiativen der Stadtteilkultur ­nehmen die Chancen der wachsenden Gesellschaft und die Impulse wahr, die unsere Kultur und unser Zusammenleben ­bereichern. Stadtteilkultur ist in besonderem Maße ­prädestiniert dafür, den gesellschaftlichen Umbruch mitzugestalten und durch kulturelle Teilhabe verschiedenste gesellschaftliche Gruppen einzubinden, deren kreative und gestalterische Potenziale zu entwickeln und nutzbar zu machen. Sie schafft mit den Mitteln der Kultur Begegnungen und neue Identitäten – jenseits sozialer und herkunftskultureller Zuschreibungen. Das Andere wertzuschätzen und Barrieren zu überwinden ist nicht nur eine Aufgabe für die Akteure der Stadtteilkultur, sondern ein Auftrag, der an die Besucher*innen, Engagierten und Teilhabenden weitervermittelt wird.

Interkulturelle Öffnung ist der Stadtteilkultur nicht nur ein Schlagwort, sondern eine Aufgabe, an der auf allen Ebenen – von der Gestaltung des Programms über die Personalstruktur bis zur Zusammensetzung des Publikums – gearbeitet wird. Dabei bezieht sich Interkultur nicht nur auf geografische und herkunftskulturelle Zuschreibungen, sondern ebenso auf andere Eigenschaften, die die Diversität von Menschen ausmachen – wie Alter, Sexualität, Behinderungen und vieles mehr.
Die politische und gesellschaftliche Entwicklung der letzten Monate hat jedoch deutlich zu Tage gebracht, dass es bei uns und in anderen Ländern erhebliche Widerstände gegen eine Öffnung der Gesellschaft und der Institutionen gibt. Populisten und Extremisten, die eine geschlossene Gesellschaft fordern, erhielten einen Zulauf, den viele zuvor nicht für möglich gehalten hatten. Auch in Hamburg haben wir erlebt, wie Intoleranz und Extremismus, ob politisch oder religiös bedingt, zu extremer Gewalt führen. Gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe kann dabei helfen, zu verhindern, dass Menschen sich abgehängt fühlen und scheinbar einfachen Wahrheiten von Populisten und Extremisten folgen. Stadtteilkultur gestaltet die Zukunftsfähigkeit und den Zusammenhalt unserer demokratischen Gesellschaft mit und ist ein gesellschaftlicher Lernort, an dem sich Menschen freiwillig für das Gemeinwohl engagieren und Selbstwirksamkeit und Zusammenhalt erleben – und indem sie fröhlich gemeinsam feiern.

In diesem Jubiläumsheft, der Nummer 40, will der Dach­verband einen Einblick in die vielfältigen Projekte, Veranstaltungen und Aktivitäten der Hamburger Stadtteilkultur geben, die – zumeist im Kleinen – an einer Öffnung der Gesellschaft arbeiten und Tendenzen der Spaltung unserer Stadtgesellschaft entgegenwirken wollen.

Das Goldbekhaus entwickelte für das erste Halbjahr 2017 die Veranstaltungsreihe SICHTWEISEN, um gemeinsam mit Expert*innen und dem Publikum nach Strategien zum Umgang mit Populismus, Rassismus und gesellschaftlicher Spaltung zu suchen. Das Anbieten von Raum für Entwicklung und Diskussionen bildet den Kern der stadtteilbezogenen Arbeit der Zinnschmelze – als ein Ort gelebter Demokratie. St. Pauli selber machen ist praktizierte Beteiligung im Stadtteil: St. Paulianer*innen diskutieren, wie sich ihr Stadtteil weiterentwickelt, und sorgen dafür, dass alle – unabhängig von ihrem Einkommen – in St. Pauli leben, arbeiten und wohnen bleiben können. In Barmbek-Nord eröffnete Anfang März 2017 ein Geschäft, das Markenmode für Rechtsextreme vertreibt. Doch Barmbek ist – auch Dank des Bürgerhauses Barmbek – gut vernetzt und sagt getragen von einem breiten Bündnis „Nein zu Nazis!“. In Repair Cafés wird nachbarschaftliches Helfen wieder wertgeschätzt und gestärkt – auch im Eidelstedter Bürgerhaus. Wer möglichst viele Menschen im Stadtteil beteiligen will, muss sich auch damit auseinandersetzen, Barrieren abzubauen – wie z. B. durch die Verwendung Leichter oder Einfacher Sprache im Barmbek Basch im Rahmen einer Themenwoche. Eine offene Geisteshaltung wird einem nicht in die Wiege gelegt: Sie muss vermittelt, gelehrt und gelernt werden – wie in den Projekten des Hamburger Kinderbuchhauses. Auch interkulturell feiern will gelernt sein: Interkulturelle Feste, deren Öffnung und die Moderation der kulturellen Unterschiede sind Schwerpunkte des Kulturhofs Dulsberg. Im BFD Welcome von STADTKULTUR HAMBURG agieren geflüchtete Freiwillige als Brückenbauer zwischen den Kulturen in Kultur- und Bildungseinrichtungen. Inte­grative Arbeit bildet auch einen Schwerpunkt im Kulturschloss Wandsbek: In unterschiedlichen Projekten werden vielfältige interkulturelle Begegnungsräume geschaffen. Der Fonds FREIRÄUME! ermöglicht in diesem Jahr viele weitere Projekte, die an der Integration von Geflüchteten durch Kultur arbeiten. Das stadtkultur magazin stellt die 29 geförderten Aktivitäten der zweiten Bewerbungsrunde des Fonds vor, für deren Durchführung der Dachverband zuständig war.

An diesem Schwerpunkt der Arbeit der Stadtteilkultur – der Öffnung und Offenhaltung der Gesellschaft – werden der Dachverband und seine Mitglieder in verschiedensten Formaten in den nächsten Monaten weiterarbeiten. Wir werden berichten.