Editorial zu „Bürgerschaftswahl 2015: Wir wählen Kultur!“

Corinne_EichnerLiebe Kulturinteressierte,

Samira und ihre Freundin Emily sind traurig und sehr enttäuscht, dass ihr Theaterkurs nicht mehr stattfinden soll. Samira, die vor zwei Jahren mit ihrer Familie nach Hamburg kam, hatte das Theaterspielen so gut beim Deutschlernen geholfen. Die beiden Freundinnen haben gehört, dass kein Raum in dem Stadtteilkulturzentrum mehr frei sein soll für ihre regelmäßigen Proben, weil einige Räume vermietet werden und andere wegen Sanierungsbedürftigkeit derzeit nicht benutzt werden können. Sie wollten selbst fragen, doch das Büro ist nur noch stundenweise besetzt – wenn sie in der Schule sind.

Die Mitarbeiterin ist seit Monaten krank, weil die vielen Überstunden ohne Ausgleich zuviel für sie waren. Dabei hat sie seit Jahren keine tarifliche Erhöhung ihres ohnehin niedrigen Gehaltes mehr bekommen und Geld für eine Vertretung kann die Einrichtung auch nicht aufbringen.

Nicht nur Menschen, die das Zentrum besuchen, auch die vielen ehrenamtlichen Helfer, ohne die der Betrieb gar nicht laufen könnte, sind frustriert, denn es fällt ihnen schwer, einen Ansprechpartner für die vielen organi­sa­torischen Fragen zu finden. Die Geschäftsführerin Anja, die das Haus seit 17 Jahren mit einer Halbtagsstelle leitet, erhält auf ihr Ersuchen um Erhöhung der Förderung immer wieder den Hinweis, dass die spärliche institutionelle Förderung doch durch die Projektmittel, die sie für die vielen verschiedenen Projekte erhält, die an das Zentrum angedockt sind, bestens ergänzt wird. Doch Projektanträge müssen immer neu gestellt werden und sie hat durch die angespannte Lage gar keine Zeit mehr, Anträge zu stellen. Und die Eigenmittel, die für die meisten Ausschreibungen aufgebracht werden müssen, kann sie sich auch nicht mehr leisten.

Samira und Emily gibt es nicht, genauso wenig wie Anja. Wir haben auch die Lage ein wenig zugespitzt und auf ein Zentrum fokussiert dargestellt – doch die angesprochenen Probleme in den Hamburger Einrichtungen der Stadtteilkultur sind real. Lassen Sie sich in diesem Heft informieren, vor welchen Schwierigkeiten die Stadtteilkultur steht und welche Lösungsvorschläge es gibt. Es mag Ihnen bei Ihrer Entscheidung helfen, wen Sie bei den anstehenden Bürgerschaftswahlen wählen, wenn Sie für Kultur in Hamburg stimmen wollen.

Eine erkenntnisreiche Lektüre wünscht

Corinne Eichner, Geschäftsführerin

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