Zeit der Solidarität und der Bündnisse

Ende Februar schien Corona noch weit weg und Spekulationen darüber, dass das Virus auch in Deutschland wüten und eine hohe Zahl an Infizierten, gar Toten hinterlassen würde, hielten wohl die meisten von uns für überzogen. Als am 11. März das Treffen der Geschäftsführenden der Mitgliedsorganisationen von STADTKULTUR HAMBURG sich einzig und allein dem Thema Kultur und Corona widmete und – um Abstand zwischen den Teilnehmenden zu ermöglichen – im Saal des HausDrei stattfand, erzeugte das bei manchen noch Verwunderung. Genauso, als die Geschäftsstelle des Verbandes am darauf folgenden Tag ihre Arbeit ins Homeoffice verlagerte. Die Geschäftsführerin Corinne Eichner schildert die Corona-Krise aus der Sicht eines Dachverbandes.

Autorin: Corinne Eichner

Spätestens ab dem 15. März 2020 überschlugen sich mit der damaligen Allgemeinverfügung die Nachrichten in Sachen Corona: Alle Veranstaltungen verboten, Stadtteilkultureinrichtungen genauso geschlossen wie alle anderen Kulturinstitutionen. Fassungslos mussten wir erleben, wie das, was uns so wichtig ist und für das wir seit Langem kämpfen, plötzlich verboten und Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden.

Das war hart für uns alle. Niemand hatte etwas Derartiges schon einmal erlebt. Aber es ging jetzt darum, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, um unserem Gesundheitssystem zu ermöglichen, sich auf die Lage einzustellen und die schweren Fälle, die besonders die Alten und chronisch Kranken treffen können, zu bewältigen. Das Motto für alle: Flatten the curve.

Es ging weniger darum, ob wir persönlich befürchten, zu erkranken, es war und ist eine Frage der Solidarität mit den Alten und chronisch Kranken, mit denen, die mit dem Krebs kämpfen oder anderen schweren Beeinträchtigungen. Und schließlich ging es auch darum, mit umsichtigem und diszipliniertem Handeln eine schnelle Öffnung wieder zu ermöglichen.

Um die Mitglieder nicht allein zu lassen in dieser unübersichtlichen und belastenden Situation, stellten wir die Geschäftsstelle von STADTKULTUR fast vollständig auf digitale Kommunikation um. Dabei half uns, dass wir in den vorhergehenden Jahren bereits umfangreiche Erfahrungen mit kollaborativem Arbeiten im Homeoffice gesammelt und entsprechende Infrastrukturen aufgebaut hatten. Diese Erfahrungen konnten wir nun weitergeben. Sehr schnell boten wir einen Austausch für unsere Mitglieder über digitale Konferenzen an.

Gleichzeitig richteten wir eine Corona-Sonderseite im Internet ein, auf der wir alle für unsere Mitglieder und die Hamburger Kultur relevanten Informationen veröffentlichten, die wir zum Virus bekommen konnten: zu gesetzlichen Regelungen und zu Hilfsmöglichkeiten für Kultureinrichtungen, Künstler*innen und Kulturmanager*innen.

Später, als die Einrichtungen und Initiativen der Stadtteilkultur die erste Phase der Krisenbewältigung und internen Neuordnung abgeschlossen hatten, wurde wieder jede Menge Kreativität freigesetzt und erste neue digitale wie analoge Corona-Formate wurden entwickelt und umgesetzt. Redaktionelle Beiträge dazu veröffentlichte der Dachverband als Sonderserie auf seiner Seite und in den Fachinfos unter dem Titel „Kultur in Zeiten von Corona“, um Akteuren und Interessierten einen Überblick zu geben, was die Stadtteilkultur aktuell bietet – trotz Lockdown. Diese Serie bildete auch die Ausgangsbasis für dieses stadtkultur magazin.

Trotzdem war und ist die Lage für die Stadtteilkultur besonders schwierig. Viele in der Stadtteilkultur haben existenzielle Ängste, denn die Stadtteilkultur und ihre Beschäftigten waren auch zuvor nicht gerade auf Rosen gebettet.

Doch staunend erlebten wir, wie groß das Bemühen um Hilfe für die bedrohten Kultureinrichtungen von Anfang an bei der Behörde für Kultur und Medien war. Nicht nur die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit gewann noch einmal an Qualität und Nähe, es war auf allen Ebenen der starke Wille zu spüren, niemanden auf der Strecke lassen zu wollen, Wege und Lösungen für jedes auch komplizierte Problem zu finden.

Während auf Bundesebene und bei Video-Konferenzen der Landesgeschäftsführenden der Soziokulturverbände viele Kolleg*innen beklagten, dass die Kultur im Regen stehen gelassen werde, wurde ich um die Situation in Hamburg beneidet und konnte daran mitarbeiten, dass die Hilfen für die Soziokultur auch anderenorts möglichst passgenau gestaltet, die Strukturen erhalten und die Menschen gestärkt werden.

Unterdessen änderte sich der Stand auch in Hamburg andauernd – und dies ist bis heute so. Was eben noch galt, ist in Zeiten von Corona sogleich schon überholt. Um die Lage im Griff zu behalten und den Mitgliedseinrichtungen das rechtskonforme Handeln zu erleichtern, halfen eine ganze Reihe von digitalen Konferenzen, die der Dachverband mit der Beteiligung von Jette von Enckevort und Simona Köhler aus der Behörde für Kultur und Medien und Lina Knipfer vom federführenden Bezirk Harburg abhielten. Diese Konferenzen stellten sich als ein unschätzbar wichtiges Instrument heraus, denn hier wurden sämtliche Fragen, die die Teilnehmenden zu den juristischen Bedingungen für die Stadtteilkultur in Zeiten von Corona hatten, entweder sofort beantwortet oder die Antwort wurde nach kurzer Zeit nachgeliefert. Dieses Instrument der digitalen Konferenzen werden wir sicher auch künftig im Verband weiter nutzen.

Auch als es um die ersten Schritte der Wiederöffnung der Stadtteilkultur ging, waren die digitalen Konferenzen von großer Bedeutung. Hier wurden beispielsweise intensiv die Details von Schutzkonzepten erörtert. Eine Handreichung zu Schutzkonzepten für die Öffnung von Stadtteilkultureinrichtungen, die von einer Arbeitsgruppe des Verbandes im Nachgang an diese Erörterungen erarbeitet wurde, konnte schließlich den Einrichtungen als Grundlage für individualisierte eigene Hygienekonzepte zur Verfügung gestellt werden.

Hier stehen wir nun, kurz vor den Sommerferien in Hamburg. Erste Einrichtungen machen erste vorsichtige Schritte zu einer Öffnung der Angebote. Doch noch ist nicht klar, was wirklich möglich sein wird angesichts von strengen Regeln, die eine Arbeit wie vor Corona unmöglich machen und gleichzeitig einen hohen Aufwand – finanziell wie personell – für Hygienemaßnahmen erfordern, bei gleichzeitig fehlenden Einnahmen und teilweise unvollständigen Teams. Und auch die harten Bußgelder, die den Einrichtungen drohen, wenn die Regeln nicht eingehalten werden, lassen viele sehr zögerlich sein.

Der Dachverband wird seinen Mitgliedern auch weiterhin an der Seite stehen und versuchen, ihnen zu helfen, die Strudel und Untiefen dieser schwierigen Zeit zu überstehen. Auch, wenn die von vielen befürchtete Bugwelle der fehlenden Einnahmen im Herbst über die Stadtteilkultur hereinbrechen sollte.

Denn dies ist die Stunde der Solidarität, der Bündnisse und des Zusammenhalts in der Kultur – eine Aufgabe für Verbände.

Corinne Eichner
Corinne Eichner

studierte Soziologie, Journalistik, Politikwissenschaften und Kunstgeschichte in Göttingen und Hamburg. Sie arbeitete als freie Journalistin und Kulturmanagerin und in der Erwachsenenbildung. Seit 2011 ist Corinne Eichner Geschäftsführerin von STADTKULTUR HAMBURG, seit 2017 gehört sie dem Vorstand des Bundesverbandes Soziokultur an.

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