Eine Chance für eine einheitliche Politik

Die Corona-Krise verdeutlichte für die Bürgerhäuser ein Problem, das auch vorher schon da war: Ihnen fehlt eine Lobbyvertretung, weil sie zum Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörde gehören und nicht zu dem der Kulturbehörde. Die Vorständin des Bürgerhauses Wilhelmsburg Katja Scheer wünscht sich, endlich die jahrzehntelange Gegenüberstellung von Stadtteilkulturzentren und den Bürgerhäusern aufzubrechen und dass der Dachverband endlich mit einer Stimme für alle Einrichtungen sprechen kann.

Autorin: Katja Scheer

Alles dicht: Das Bürgerhaus in Zeiten von Corona, Foto: Katja Scheer

Die Herausforderungen der Corona-Krise sind für die Akteur*innen der Bürgerhäuser und Stadtteilkulturzentren ähnlich und das macht sie ein bisschen erträglicher – finde ich.

Habe ich aber anfangs noch geglaubt, dass wir in diesem Zustand alle immer den gleichen Status haben, weil alles ähnlich neu und gleichermaßen vage ist, schlich sich im Verlauf der Krise bei mir aber eine Erkenntnis ein, die mich eigentlich gar nicht hätte überraschen dürfen: Wir hinken als Bürgerhaus immer einen Schritt hinterher.

Denn viele der wertvollen Informationen, die ich in den Zoom-Meetings der Geschäftsführenden des Dachverbandes bekam, kamen aus der Behörde für Kultur und Medien und galten – erstmal – nur für die von der Kulturbehörde geförderten Einrichtungen. Lobbyarbeit kurz nach der ersten Schließung, konnte – erstmal – nur in der Kulturbehörde und für entsprechend geförderte Einrichtungen und Projekte platziert werden. Erweiterte Förderrichtlinie? Erstmal nur für … siehe oben. Bürgerhäuser fallen aber nicht in den Zuständigkeitsbereich der Kulturbehörde, sondern in den der einzelnen Bezirke und somit der Finanzbehörde.

Seit Beginn dieses Jahres wurde auf dringenden Wunsch der Bürgerhäuser eine Stelle für eine Koordinatorin für Bürgerhäuser und Beteiligungsverfahren in der Finanzbehörde eingerichtet. Aber bevor wir unsere Zusammenarbeit überhaupt beginnen konnten, erwischten uns die Herausforderungen durch Corona. Da müssen sich die Bürgerhäuser nun in der Krise auf ein zartes Pflänzchen stützen, wohingegen das Netzwerk von STADTKULTUR HAMBURG und die Verbindung zur Kulturbehörde historisch gewachsen, eng und effektiv eine stabile Basis bieten.

Die Verbindung zwischen den Bürgerhäusern und der Finanzbehörde muss nun ähnlich gekräftigt und unterstützt werden, damit sie wachsen und so eng und effektiv werden kann, wie das Netzwerk von STADTKULTUR und dessen Verbindung zur Behörde für Kultur und Medien.

Als Mitglied des Dachverbandes will ich von diesen positiven Strukturen und Erfahrungen – gebündelte Vertretung der Interessen der Einrichtungen gegenüber einer klaren Ansprechperson in der zuständigen Behörde – auch profitieren. Denn was den Bürgerhäusern nach wie vor schmerzlich fehlt, ist eine Lobbyvertretung außerhalb bzw. gegenüber den Behörden. Diese Funktion übernehmen Leitungen einzelner Häuser so eben mal „nebenbei“, sie ist aber immer auch in einem Rollenkonflikt.

Es muss doch möglich sein, die jahrzehntelange Gegenüberstellung von Stadtteilkulturzentren hier und da Bürgerhäuser, Kulturbehörde hier und Finanzbehörde da aufzubrechen.

Ein Dachverband, der sich mit einer Stimme für alle Mitglieder gleichermaßen einsetzen kann und eine Stadt, die ihre soziokulturellen und gemeinwesenorientierten Einrichtungen, die vergleichbare Arbeit leisten, auch als Chance für eine einheitliche Politik begreift. Stadtteilkulturzentren und Bürgerhäuser leisten oft ähnliche Arbeit, auch wenn sie verschiedene Facetten abbilden.

Daher sollten sie nach gleichem Maß gefördert und ihnen die gleichen Möglichkeiten eröffnet werden: Wenn wir dies erreichen könnten, dann wäre viel für kulturelle Teilhabegerechtigkeit in unserer Stadt getan. Das ist ein Ziel, dem wir uns strategisch widmen müssen und eine Aufgabe, die uns auch nach den akuten „Corona-Themen“ beschäftigen wird. Ich freue mich auf den gemeinsamen weiteren Weg dazu.

Katja Scheer
Katja Scheer

Jahrgang 1975, ist seit dem 1. Oktober 2019 Vorständin der Stiftung Bürgerhaus Wilhelmsburg. Davor war sie seit 2008 Fachleitung für den Bereich Musik und Literatur im Bürgerhaus, entwickelte das Netzwerk Musik von den Elbinseln und realisierte mit ihrem Team zehn Jahre lang das Festival 48h Wilhelmsburg.

Wer wissen will, wie 48h Wilhelmsburg in Zeiten von Corona klingt, findet auf der Website www.mvde.de die ersten Podcasts „Listen to your Neighbourhood“ und Videos unter dem Motto „The show must go online“ und dann natürlich das Programm vom diesjährigen 48h Wilhelmsburg Wochenende vom 12. bis 14. Juni. Denn das Festival findet statt! Aber natürlich ganz anders…

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