Raus aus der ewigen Dauerkrise oder: Wege aus der erlernten Hilflosigkeit

Krisen, Katastrophen und Konflikte: Ständig bekommen wir gezeigt, wie schlecht die Welt ist und dass wir sowieso nichts daran ändern können. Egal ob medial, politisch oder am Küchentisch – unsere Diskussionen konzentrieren sich häufig auf Probleme und die damit verbundene Sündenbocksuche. Doch das muss nicht so sein.

Autorin: Prof. Dr. Maren Urner

Prof. Dr. Maren Urner bei ihrem Online-Vortrag auf dem Ratschlag, Screenshot: STADTKULTUR HAMBURG

Corona, Klima, Flüchtlinge und Finanzen – über einen Mangel an Krisen können wir sicherlich nicht klagen. Sie bestimmen unseren Alltag und damit unser Denken, unsere Kommunikation und unser Handeln. „Na, das ist doch prima! Dann tun wir doch alles, um den Krisen adäquat zu begegnen“, mag manch einer angesichts dieser Schlechtwetterlage nun sagen. Doch weit gefehlt. Denn der einseitige Fokus auf alles Negative, auf die Probleme und Herausforderungen im Kleinen und Großen sorgt in unserem Gehirn und damit unserem Körper vor allem für eins: Stress, ausgelöst durch Angst und Unsicherheit.

Längst ist gut untersucht, dass unser Angstgehirn zwar für kurzfristiges Überleben sorgt, uns aber daran hindert, langfristige, gut überlegte Entscheidungen zu treffen. Ganz einfach, weil die entsprechenden Gehirnregionen im Angstmodus nicht zugänglich sind. In der Psychologie ist von der Kampf-oder-Flucht-Reaktion die Rede. Tatsächlich gibt es noch eine dritte Reaktionsmöglichkeit: das Erstarren. Das Wiederum hängt mit dem Phänomen der erlernten Hilflosigkeit zusammen. Denn bekommen wir wiederholt medial und auf allen anderen „Kanälen“ mitgeteilt, dass wir sowieso nichts ändern können – frei nach der viel bemühten Aussage „Die da oben machen sowieso, was sie wollen!“ – lernen wir schnell, hilflos zu sein und tendieren dazu, in Passivität, Zynismus oder einen Mix aus beidem zu verfallen.

Drei Schritte aus der erlernten Hilflosigkeit, Screenshot: STADTKULTUR HAMBURG

Um das auf individueller und gesellschaftlicher Ebene zu verhindern, müssen wir den sprichwörtlichen Schalter in unserem Gehirn umlegen. Schluss mit Angstgehirn und Dauerkrise, hin zum Neugier-Modus und einem lösungsorientierten Blick nach vorn. Alles was es dafür braucht, ist ein Umdenken im Kopf, dass uns lösungsorientiert auf die Welt schauen lässt. Denn: Das Reden über Probleme schafft Probleme, das Reden über Lösungen schafft Lösungen. Wie das praktisch gelingt? Indem wir uns immer Fragen: Was jetzt? Wie wollen wir weitermachen? Wie können wir es besser machen? So legen wir den Schalter in unserem Gehirn um und laden ganz automatisch auch andere Menschen dazu ein, es uns gleich zu tun.

Warum das alternativlos ist? Weil wir als Menschheit angesichts der Klimakrise vor einer einmaligen Herausforderung und Chance zugleich stehen. Sämtliche Lebensbereiche werden sich verändern, das können wir uns nicht (mehr) aussuchen. Es liegt aber in unseren Hirnen und Händen, uns zu überlegen, wie wir sie gestalten wollen. 

Maren Urner
Maren Urner

ist Professorin für Medienpsychologie an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln. 2016 gründete sie zusammen mit anderen Journalist*innen das Online-Magazin „Perspective Daily“ für Konstruktiven Journalismus. Ihre beiden Bücher „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang“ (Droemer 2019) und „Raus aus der ewigen Dauerkrise“ (Droemer 2021) sind SPIEGEL-Bestseller.


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