Zusammenhalt anders organisieren

Vor dem Wieder-Hochfahren des Veranstaltungsbereichs ist die Stimmung in der Zinnschmelze gemischt – mit einer Tendenz ins Vorsichtig-Optimistische. Das zeigt eine Umfrage von Geschäftsführerin Sonja Engler unter ihren Kolleg*innen.

AUTORIN: SONJA ENGLER

Das Zinne-Team, es fehlt BFDler Lukas Schilling, Foto: Zinnschmelze

Sonja Engler: Welchen „Ansatz“ fahrt ihr beim Hochfahren?

Projektmanager Avraham Rosenblum: Wir denken an andere Formate der Veranstaltung in der Zinnschmelze und versuchen, unserem Publikum kulturelle Möglichkeiten anzubieten, die zum Abstandsgebot passen, wie zum Beispiel das Projekt „ZusammenHalt!“. Außerdem schließen wir uns mit anderen Institutionen zusammen, um durch Kooperation mehr erreichen zu können, wie beim noch laufenden Projekt „MomentMal!“. Wir finden, rein digitale „Alternativen“ reichen nicht aus.

Der Kursbetrieb vor Ort startete im Juni – lang ersehnt. Wie hat sich die Arbeit durch Corona verändert?

Kurs-Managerin und Raum-Vermieterin Khatuna Hartmann: Herausfordernd für Alle im Kursbereich ist die ständige Neuanpassung und Umsetzung der Verordnungen. Mit den digitalen Medien können wir Teilnehmer*innen binden, gleichzeitig verlieren wir einige, denn Paartanz und Chöre brauchen nun mal die körperliche Nähe. Aber die Notwendigkeit, angepasste Projekte ins Leben zu rufen – online oder analog – macht auch Lust, weckt Ideen und Motivation.

Der Vermietungsbereich ist komplett zusammengebrochen, Seminare finden kaum, Feiern gar nicht statt. Das drückt auch auf die Einnahmen.

Das Hochfahren des Veranstaltungsbereichs ist schwierig. Hier steckt die größte Spannung zwischen dem unbedingten Willen, Programm zu machen, der Verantwortung für das Publikum und für die Künstler*innen und der Frustration aufgrund der Beschränkungen. Wie sehen die Planungen für die nächsten Wochen aus?

Veranstalterin Dorothée Puschmann: Unsere Planungen sind vorsichtig, mit Augenmaß und viel Trial and Error. Kleine Konzerte, Feierabendsingen draußen, Film und Diskussion, Lesungen stehen auf dem Programm. Im Saal können wir nur 20 Plätze anbieten, also suchen wir auch externe Räume. Mit den Mitteln des „Neustart“-Programms werden wir die Technik zum zusätzlichen Streamen aufbauen.

Konzeptionell ist uns wichtig, Programme zu entwickeln, die Solidarität und Verantwortung fördern, die Nähe herstellen – ohne körperlich nah zu sein. Wir buchen jetzt in der ersten Zeit freiberufliche Profis, die von den Gagen leben. Semiprofessionelle Künstler*innen kommen leider erst danach dran.

Veranstaltungstechniker Marek Merla: Auch wenn ich sehr gerne wieder Veranstaltungen machen möchte, will ich nicht verantwortlich sein, dass sich das Virus gegebenenfalls ausbreitet. Mich ärgert, dass von der Politik zu wenig an die Veranstaltungsbranche gedacht wird. Die Dienstleister und vor allem die vielen Freiberufler stehen vor dem Nichts. 

Wenn alle Routinen wegbrechen, ergeben sich auch ungeplante neue Wege, zum Beispiel für den Beginn eines Bundesfreiwilligen-Jahres im April. Wie war für Dich der Start ohne Normalbetrieb?

Bundesfreiwilliger Lukas Schilling: Schon besonders. Zugleich bot sich die Chance, von Beginn an Teil der gemeinsamen Suche nach Umgangsweisen und Chancen unter ungewissen Rahmenbedingungen zu sein. In dieser Hinsicht gab es keinen Stillstand, auch nicht bei der Nachfrage nach Angeboten.

Ich habe erfahren, dass der Zusammenhalt in der Stadtteilkultur auch von der Arbeit hinter den Kulissen abhängt. Die Flexibilität, die von allen Seiten in den letzten Monaten aufgebracht wurde, um potentielle Spielräume gemeinsam auszuloten, lässt mich in freudiger Erwartung auf die nächste Zeit schauen. Ich kann es kaum erwarten, die Lebendigkeit und den Trubel des „Normalbetriebs“ kennenzulernen.

Sonja Engler
Sonja Engler

ist ausgebildete Buchhändlerin und Diplom-Kulturwissenschaftlerin nach einem Studium an der Universität Hildesheim. Seit 2003 ist sie in der Zinnschmelze in Hamburg-Barmbek für Projekte, Stadtteilarbeit und Vernetzung zuständig, seit 2015 ist sie Geschäftsführerin der Zinnschmelze. 2019 wurde sie zur Vorsitzenden des Dachverbands STADTKULTUR HAMBURG gewählt.

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