Editorial zu „Wildes Hamburg“

Liebe Kulturinteressierte,

Großstädte sind doof. Überall Autos, Werbung, Hektik. Die Menschen hetzen, sind angespannt, manchmal aggressiv. Alle wollen ihr Ding machen, kommen sich ins Gehege, gehen sich auf die Nerven. Was tun zum Ausgleich? Abends mit hundert anderen auf der Straße stehen und Cornern? An der Elbe sitzen und die Technobeats aus dem Ghettoblaster des Nebenmannes mithören? Passivrauchen auf einem der Freisitze am Schulterblatt?

Die Autorin Charlotte Roche hat eine Antwort gefunden, die lautet: Rausziehen auf’s Land. Die Idee, die Stadt hinter sich zu lassen und das eigene Lebensglück inmitten unberührter Natur zu finden, ist nicht gerade neu. Charlotte Roche hat sie im Magazin der Süddeutschen Zeitung aufgegriffen und damit eine Debatte ausgelöst. Doch die Entscheidung, auf die Vorteile urbanen Lebens zu verzichten, kann und will nicht jeder treffen.

Hamburger haben das Glück, das Eine haben zu können, ohne auf das Andere verzichten zu müssen: Ein breites Kulturangebot für jeden Bedarf ermöglicht Begegnung und Auseinandersetzung mit anderen Menschen und ihren Ideen, während zugleich viele grüne Oasen in der Stadt zur Entschleunigung und der Begegnung mit der Natur einladen. Die Hamburger Stadtteilkultureinrichtungen verbinden beide Welten mühelos und bringen Kultur- und Naturerlebnisse unter einen Hut.

Kultur im Großstadtdschungel ist nicht immer vollkommen ungezähmt und ungeregelt, erlaubt aber eine Freiheit, wie sie sonst kaum noch zu finden ist in unserem durchorganisierten Alltag, in dem es ständig um Optimierungsstrategien geht. Eskapismus á la Roche muss nicht die Antwort sein. Ein Stück Wildheit in der normierten Metropole: Dieses Gegengewicht sorgt für den unverzichtbaren Ausgleich gegenüber dem Stress und den Begleiterscheinungen der verdichteten Großstadt.

Eine erkenntnisreiche Lektüre durch
die „Hamburger Wildnis“ wünscht
Corinne Eichner, Geschäftsführerin

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