Ist das noch Kultur oder schon Burnout?

Als Regionalberaterin des Landesverbands Soziokultur Niedersachsen begegnen Christiane Mielke zunehmend Kulturschaffende, die sich trotz Freude am Job am Rande eines Burnouts oder schon darin befinden. Deshalb möchte Mielke einen Raum für das Thema schaffen. Ein Erfahrungsbericht.

Autorin: Christiane Mielke

Ich arbeite seit über 35 Jahren in der Kultur. Es macht mir unglaublichen Spaß, Dinge zu bewegen und mit Menschen zu arbeiten. Wenn eine Veranstaltung oder ein Projekt gut gelaufen ist, bin ich glücklich. Wenn am Ende des Jahres die Bilanz stimmt und alle Mitarbeiter*innen gehalten werden konnten, vielleicht sogar besser bezahlt werden, dann bin ich sehr zufrieden. Wenn ich als Beraterin einen Beitrag zur positiven Entwicklung von Kulturschaffenden leisten konnte, ist das die Sahnehaube auf meinem Engagement für die Kultur. Ich brenne für meinen Job!

Ich kenne aber auch ein Gefühl der ständigen Überforderung. Immer muss es noch ein Projektantrag sein, damit Personal finanziert werden kann. Ständiges Kämpfen mit Politik und Verwaltung um Fördermittel, die dann hinten und vorne nicht reichen. Arbeitstage von mehr als zehn Stunden sind keine Seltenheit. Es gibt viel zu tun und es sind einfach nicht genug Hände.

Als Beraterin begegnen mir zunehmend Menschen, die sich am Rande oder am Ende ihrer Kräfte befinden. Die Kräfte werden nicht durch ein einziges Ereignis aufgebraucht, sondern durch jahrelanges Arbeiten am Limit. In der Kultur keine Seltenheit. Eben hat man noch „nur“ seit Wochen schlecht geschlafen. Oder man bemerkt eine ständige Gereiztheit. Vielleicht kann man auch die Gedanken nicht mehr abstellen. Es gibt viele Anzeichen, wenn es einfach zu viel wird. Man muss sie nur wahr- UND ernstnehmen.

Ich habe das nicht getan. Nach einer Panikattacke lag ich auf der Nase und war nicht mehr in der Lage, mehr als dreißig Minuten an einem Gespräch teilzunehmen. Und das über Wochen. Die Frau, die jede Veranstaltung gerockt hat, immer Lösungen gefunden hat, und an allen Stellen gleichzeitig war. Tolle Frau. Aber für welchen Preis? Aufgrund dieser Erfahrungen möchte ich einen Raum schaffen für das Thema Burnout. Ich möchte dafür sensibilisieren, dass auch in der Soziokultur die Freude am Job in einem „Nichts geht mehr“ enden kann. Burnout ist nicht nur etwas für Manager*innen in der Wirtschaft. Es betrifft auch uns Kulturschaffende. Wir sollten achtsam mit uns und anderen umgehen.

Wir sollten aber auch dafür kämpfen, dass die Strukturen der Freien Kulturszene besser finanziell abgesichert sind. Die Flamme der Kultur in mehreren Händen zu tragen, ist für alle Beteiligten sinnvoller – und gesünder.

Christiane Mielke
Christiane Mielke

ist Kulturwissenschaftlerin, Regionalberaterin Süd-Ost Niedersachsen des Landesverbandes Soziokultur Niedersachsen und Geschäftsführerin der Brunsviga in Braunschweig.


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