New Work und mobiles Arbeiten

Zum digitalen Arbeiten gehört mehr als nur der Einsatz von digitaler Technik. Noch viel wichtiger sind eine neue Form der Zusammenarbeit und ein neues Verständnis von Führung.

Autorin: BIRGIT WINTERMANN

Foto: Callum, Unsplash.com

Wir alle mussten unser Leben in der Pandemie sehr stark umstellen und uns an die Situation anpassen. Besonders betroffen war natürlich auch unser aller Arbeitsleben. Nachdem – sofern möglich – die Arbeit ins eigene zu Hause verlegt wurde und wir dies lange Monate praktiziert haben – mal mehr, mal weniger – müsste doch jetzt eigentlich alles digitalisiert sein und wir fit für die Zukunft. Aber ist das wirklich so?

Zunächst einmal zur Klarstellung: Das vor allem im ersten Lockdown praktizierte „Homeoffice“ war genau das: Man hat also das gleiche getan wie im Büro – nur eben von zu Hause aus. Das an sich ist zwar Arbeiten mit Hilfe von digitaler Technik an einem anderen Ort, nicht aber zwingend digitales Arbeiten. Was aber ist der Unterschied?

Zum digitalen Arbeiten gehört natürlich auch die Nutzung von Technik und entsprechender Software. Dazu kommt allerdings noch etwas anderes, was eigentlich noch viel wichtiger ist: Es geht um eine neue Form der Arbeit, der Zusammenarbeit und auch der Führung.

Die Mitarbeitenden begegnen sich auf Augenhöhe über alle Hierarchiestufen hinweg. Führung heißt, die Rolle des Moderators zu übernehmen, den Überblick zu behalten und es dem Team zu ermöglichen, die eigene Expertise zu dem erklärten Ziel konstruktiv zusammenzuführen.

Sowohl die einzelnen Teammitglieder als auch das Team an sich organisieren sich selbständig. Die einzelnen Menschen kennen ihre Arbeit und ihre Aufgaben und wissen am besten selbst, wie sie diese zusammenzuführen haben. Dafür kommunizieren alle ständig miteinander, um sich auf dem Laufenden zu halten und notwendige Anpassungen vornehmen zu können.

Dabei achtet jeder auch auf sich selbst, dass er innerhalb seiner Belastungsgrenzen bleibt und sich nicht selbst schadet. Wichtige Entscheidungen werden im Team getroffen – auch die unangenehmen. Im Kern geht es also vor allem auch um die Ver­änderung der Arbeitskultur und der Einstellung jedes Einzelnen. Sofern sich nicht die Idee von Führung, Zusammenarbeit und Kommunikation ändert, wird eine wirkliche Digitalisierung nicht vonstattengehen können.

Birgit Wintermann in ihrer Session über den Aspekt Arbeitszeit beim mobilen Arbeiten, Screenshot: STADTKULTUR HAMBURG

Die Frage des Arbeitsortes ist dabei oft der Einstieg. Wobei dies nicht bedeutet, dass es gleich auch das leichteste Thema sei oder am einfachsten umzusetzen. Aber es ist – gerade jetzt – eine der naheliegendsten Maßnahmen. Die Geschäftsleitung muss sich entschließen, ihr Weisungsrecht in Bezug auf den Arbeitsort, der in der Vergangenheit selbstverständlich schon immer am Betriebsort lag (es sei denn, die Tätigkeit verlangte etwas anderes), zu lockern bzw. abzugeben.

Die Mitarbeitenden müssen die Entscheidung treffen, wo sie arbeiten wollen und es auch am besten können. Dabei stellt man dann fest, dass von einem anderen Ort aus zu arbeiten meistens auch eine völlig andere Art zu arbeiten mit sich bringt: Man ist viel konzentrierter und hat weniger Ablenkungen und ist daher auch schneller ermüdet. Online-Meetings sind straffer, effizienter und damit meistens auch eher anstrengender.

Interpretationsmöglichkeiten über Körpersprache, Stimmenmodulation und durch das Verhalten der Beteiligten zueinander sind stark eingeschränkt, so dass die Kommunikation klarer und intensiver und häufiger werden muss, um das auszu­gleichen. Es müssen neue Kommunikationskanäle geschaffen werden, die das „eben mal über den Flur zum Kollegen gehen“ ersetzen können.

Um sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten, können Tools wie Slack, Trello und Teams genutzt werden. Auch das alles ist intensiver und damit auch schneller – und anstrengender.

Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Menschen eher zu viel als zu wenig arbeiten. Wenn man dann noch in den eigenen vier Wänden arbeitet, kann es zu Abgrenzungsschwierigkeiten zu privaten Verpflichtungen, aber auch der Erholung von der Arbeit kommen. Dies alles erfordert ein hohes Maß an Selbst-organisation und Selbstreflektion. Denn die Verantwortung dafür, dies alles gut umzusetzen, trägt jeder selbst. Allerdings kann und sollte auch hier der Arbeitgeber durch Vorbildfunktion und Unterstützung viel Hilfestellung leisten.

Eine andere Frage ist dann noch: Homeoffice mit einem fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich der ­Beschäftigten oder mobiles Arbeiten ohne feste Verortung des Arbeitsplatzes? Es scheint immer noch nicht so einfach zu sein, die Entscheidung für eines der beiden Modelle zu fällen. Sowohl für das eine als auch für das andere spricht einiges. Es kommt immer auch auf die jeweilige Situation und Tätigkeit an. Wichtig dabei ist, dass die Umsetzung gemeinsam von Arbeitgeber*in­nen und Mitarbeiter*innen gestaltet wird. Dabei sollte leitend sein, was die Tätigkeit erfordert, was die Mitarbeiter*innen für Bedarfe haben und nicht zuletzt, was am meisten Flexibilität im Rahmen der Anforderungen ermöglicht.

Man muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass wieder alles so wird, wie es war. Die Pandemie hat uns gezwungen, unsere Anpassungsfähigkeit auf die Probe zu stellen. Und siehe da: Es ist so vieles gelungen, wir sind alle zu Lösungsfindern geworden. Dies sollten wir uns bewahren und auch für die Zukunft mitnehmen. Ein Zurück zu einer Vor-Corona-Arbeitswelt wird es nicht mehr geben. Nutzen wir dies für die anstehenden Aufgaben.

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Birgit Wintermann · Bertelsmann Stiftung
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Birgit Wintermann
Birgit Wintermann

ist Projektmanagerin bei der Bertelsmann Stiftung. Sie arbeitet unter anderem im Projekt „Zukunft der Arbeit“.

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