Was den „Kulturnachwuchs“ in einer Metropolstadt wie Hamburg ausmacht und welche Rolle und Aufgaben dabei die Hamburger Stadtteilkultur übernimmt, erläutert Dörte Inselmann am Beispiel der Arbeit des Kulturpalastes in Billstedt.
Autorin: Dörte Inselmann
Kulturelle Identität und begrenzte Teilhabemöglichkeit im Randgebiet
Wie für den Kulturpalast in Billstedt – als einzigem Kulturzentrum vor Ort – ist es auch für viele andere Zentren eine Herausforderung, in sozial schwachen Randgebieten kulturelle Teil-habe zu realisieren sowie eine nachhaltige Qualifizierung und Nachwuchsförderung aufzubauen. Billstedt ist ein zersiedeltes, uneinheitliches Gebiet: zum Einen viel Grün mit Einzel- und Mehrfamilienhäusern, zum Anderen große Trabantensiedlungen und sozialer Wohnungsbau.
In den letzten 13 Jahren sind Stadtteile wie Billstedt wesentlich „internationaler“ geworden. Gelebte kulturelle Vielfalt und Internationalität ist heute die „deutsche“ Realität: spürbar durch größeres Interesse, Akzeptanz und Respekt gegenüber anderen Kulturen und Nationen. „Deutsch sein“ wird internationaler definiert und beansprucht.
Wandel: Gelebte Internationalität – internationale Stadtgesellschaft
Angesichts dieser Strukturdaten ist die Hamburger Stadtteilkultur in vielen Stadtteilen sehr lange dabei, Strukturen und Zugänge zur Kultur zu suchen, zu schaffen und zu (er)finden, die genau die in den Stadtteilen lebenden Zielgruppen in eine gemeinsame Kulturgestaltung mit einbeziehen. Ziel ist es, mit diesen Formaten eine neue gemeinsame kulturelle Identität zu entwickeln, in der viele Werte vereint werden.
In Billstedt wird heute schon eine „internationale Stadtgesellschaft“ gelebt, die sich über Kultur definiert, respektiert und verständigt. Entscheidend ist, das „Gemeinsame“ herauszuarbeiten, neue Wege zu begehen und zu ebnen. Kulturelle Identität ist das Fundament und der Treibstoff für eine gemeinsame Kulturgestaltung in unserer Stadt und die Teilhabe daran bedeutet, Gestaltungsräume und Verbindungselemente herzustellen. Die Rolle des Kulturpalastes ist es, diese Potenziale zu identifizieren und professionelle Unterstützung für eine authentische Übersetzung zu geben.
HipHop an sich – als weltgrößte Jugendkultur – ist ein weltweites Modellprojekt, das Internationalität und lokale Gegebenheiten verbindet, neue Styles im Tanz und in der Musik entwickelt und immer wieder andere Kulturen und Milieus sampled, wie z.B. Klassik und HipHop im Stück „Sampled Identity“ der HipHop Academy.
Was bedeuten heute – bei 70 Prozent Migrationshintergrund – Kulturnachwuchs oder Nachwuchsförderung?
Unlängst hat der Kulturpalast auf Kampnagel das Musiktanz-theaterstück „Distortion“ von Constanza Macras auf die Bühne gebracht. Die Produktion stellt sich dem Thema „deutsch sein“ und beleuchtet den vielfältigen kulturellen Hintergrund. Das Stück steht für den Aufbruch in neue, gemeinsame Identitäten mit Verzerrungen und Zerreißproben für die junge Generation.
Dies stellt zugleich die Basis der Bemühungen des Hauses dar, künstlerischen Nachwuchs zu fördern: Der Kulturpalast will immer wieder Generationen und Gruppierungen an das Thema Kultur heranführen, sie daran teilhaben lassen und sie Kultur selbst gestalten lassen. So sorgen Hamburger Stadtteilkulturzentren zugleich für den künstlerischen und Kulturmanager-Nachwuchs – und für das Publikum von morgen.
Früh beginnen mit einer gemeinsamen, positiven Identifikation für Kultur und Bildung
Stadtteilkulturzentren bieten kulturelle Teilhabe für alle Gene-rationen und fangen bei den Kleinsten an: Die Klangstrolche – mit bereits 60 Partnereinrichtungen und über 2000 Dores, Mifas, Solas und Tidos – sowie die HipHop Academy Hamburg sind dabei Modelle, die darauf zielen, eine „gemeinsame“ Identität und eine nachhaltige Nachwuchsförderung aufzubauen. Hier tritt die Herkunft des Einzelnen in den Hinter-grund, das gemeinsame Schaffen wird fokussiert.
Kulturelle Bildung und Qualifizierungsstrukturen einer Metropolstadt
Genauso wichtig ist es, für eine nachhaltige, wirksame und professionelle Entwicklung vorhandener Strukturen und Ressourcen wie Schule und Jugendhilfe zu sorgen. Diese können dann für die Vermittlung von Kultur und Bildung, für kulturelle Teilhabe, kulturelle Bildung und Nachwuchsförderung genutzt werden. Nachhaltigkeit, die Verbindung von der Straße bis zum Markt, Qualifizierungstrukturen für Potenziale und frühestmögliche Förderung legen den Grundstein für die Arbeit des Kulturpalastes, der seit vielen Jahren an Strategien tüftelt, die die unterschiedlichsten Potenziale wirksam fördern und sichtbar machen können.
Stadtkultur heute: lokal – global
Gerade Migration, gelebte Internationalität und aktive Stadtteilentwicklung in Hamburg-Billstedt – aber auch insgesamt in Hamburg – bilden sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Entscheidend ist, bestehende Kulturtraditionen beizubehalten und dabei neue Wege und Verbindungen zu schaffen.
Kontakt: Stiftung Kultur Palast Hamburg, Öjendorfer Weg 30 a, 22119 Hamburg, 040/822 45 68-0, , www.kph-hamburg.de