Magrete Wulf-Slabaugh prägte die Anfänge der Hamburger Stadtteilkultur. Nun ist sie am 1. Mai dieses Jahres mit 86 Jahren verstorben. STADTKULTUR HAMBURG erinnert mit einem Nachruf von Werner Frömming und Klaus Kolb an ihr Wirken.
Autoren: Werner Frömming und Klaus Kolb

Es ist kein Geheimnis, wie wie breit thematisch ausdifferenziert und voll engagierter Initiative sich die Stadtteilkultur in Hamburg präsentiert. Auch der Senator für Kultur und Medien Dr. Carsten Brosda unterstrich bei der Verleihung des 22. Hamburger Stadtteilkulturpreises Mitte Mai mit großem Respekt die Bedeutung der Stadtteilkultur für den Zusammenhalt und die Entwicklung der Stadtgesellschaft.
Eine Person, die vor allem die älteren Mitsteiter*innen der Szene noch gut in Erinnerung haben, hätte diese Aussage besonders gefreut: Magrete Wulf-Slabaugh. Vielen bleibt sie mit der respektvollen Bezeichnung „Mutter der Stadtteilkultur“ in Erinnerung, oder wie Dörte Inselmann, Gründungsmitglied des Kulturpalast Billstedt, es formuliert, „die Geburtshelferin der gesellschaftspolitischen Bewegung ‚Kultur für Alle‘ in Hamburg“.
„Magrete Wulf-Slabaugh war die Geburtshelferin der gesellschaftspolitischen Bewegung ‚Kultur für Alle‘ in Hamburg. Sie hat mit Inbrunst, Leidenschaft und Überzeugung gestritten, um diese neue Form von Kultur zu etablieren. Sie wurde oft als ‚Mutter‘ der Stadtteilkultur bezeichnet, wachte mit Argusaugen über die Startförderung neuer Initiativen und Kultureinrichtungen, hat ‚ihre‘ Kulturzentren in der Anfangs-und Wachstumszeit verteidigt und geschützt. Die Hamburger Stadtteilkultur hat ihr viel zu verdanken!“
Dörte Inselmann, Anfang der 1980 Jahre Gründungsmitglied des Kulturpalast Billstedt. 1988 wurde sie dessen Geschäftsführerin. Sie ist heute Intendantin und Vorstand der Stiftung Kultur Palast
Magrete Wulf-Slabaugh war von 1979 bis 2001 in der Kulturbehörde die erste Leiterin eines Fachbereichs, der sowohl die Förderung stadtteilkultureller Initiativen und Zentren als auch Geschichtswerkstätten, Frauenkulturprojekte und die seinerzeit sogenannte „Ausländerkulturarbeit“ umfasste – ein Ende der 70er Jahre alles Andere als geordneter und selbstverständlicher Förderbereich.
Auf die erste Ankündigung zur Entwicklung neuer Förderstrukturen, titelte DIE WELT 1978 noch abschätzig: „Kulturkonfetti für den Freizeitgebrauch“. Magrete Wulf-Slabaugh ließ sich dadurch nicht irritieren: Ihr Credo war von Anfang an, kulturelle Selbstorganisation zu fördern. Ihr Zutrauen zu den Potentialen bürgerschaftlichen Engagements war Basis ihres Handelns. Nach einer kaufmännischen Ausbildung, einer Tätigkeit als Tanzlehrerin und ihrem Psychologiestudium hatte sie bereits Erfahrungen im Freizeitreferat der Innenbehörde gesammelt und verstand die neuen politischen Signale als Aufforderung, sich ersten in den Startblöcken stehenden Kulturinitiativen und -zentren zuzuwenden. Dazu gehörten damals MOTTE, HausDrei, Begegnungsstätte Bergstedt, Bürgerhaus in Meiendorf, Goldbekhaus, Honigfabrik und Kulturhaus Süderelbe. Sie erkannte früh, dass Stadtteilkultur ein wichtiger Impulsgeber für die Neuorientierung in der Stadt- und Stadtteilentwicklung sein würde. Zentrale Bedeutung hatte dabei die Umwandlung von leerstehenden Gewerberäumen und Fabrikgebäuden in Kulturzentren. Bereits 1979 gelang es, im Kulturhaushalt ein erstes Budget als Startförderung für Stadtteilkulturzentren zu verankern.

Die neue Förderaufgabe hat Magrete Wulf-Slabaugh mit großer Offenheit, Neugier und Respekt vor dem initiativen Engagement in den Stadtteilen begonnen. Es gelang ihr, vor dem Hintergrund einer profiliert auftretenden Akteur*innenszene im engagierten und beharrlichen Austausch innerhalb der Behörde und in Abstimmung mit der Bürgerschaft die Grundlagen zu stabilisieren und auszubauen. Ralf Henningsmeyer, ehemaliger Geschäftsführer in der GWA St. Pauli, erinnert sich: „Ihr war es gelungen, die manchmal recht spontanen Forderungen und Ansprüche der jungen Stadtteilkultur in die Logik des Behördenapparats zu übersetzen.“
„Ohne Magrete Wulf wäre die Stadtteilkultur in Hamburg nicht das, was sie heute ist. Es war ihr gelungen, die manchmal recht spontanen Forderungen und Ansprüche der jungen Stadtteilkultur in die Logik des Behördenapparats zu übersetzen. So entstanden ein gutes Fördersystem und ein konstruktives Miteinander zwischen Behörde und Szene.“
Ralf Henningsmeyer, Geschäftsführer im HausDrei von 1983 bis 1990, des Dachverband Stadtteilkultur von 1990 bis 2003 und der GWA St. Pauli von 2009 bis 2018.
So hatte sie wesentlichen Anteil daran, dass zwischen 1979 und 2001 die Förderung für Stadtteilkultureinrichtungen von 312.000 D-Mark auf fünf Millionen Euro stieg. Weitere Budgets standen als Projektmittel zur Förderung kultureller Stadtteilarbeit und als Investitionen bereit. 25 Kulturzentren konnten so im Laufe der Jahre in die institutionelle Förderung aufgenommen werden. Heute sind es 28 Kulturzentren und 22 Geschichtswerkstätten.
1998 veröffentlichte die Kulturbehörde die erste Globalrichtlinie Stadtteilkultur, auf deren Grundlage in jeweils aktualisierter Form bis heute in den Hamburger Bezirken Entscheidungen über die Vergabe einzelner Förderbudgets getroffen werden. Dabei ist es in vielen Fällen dem sensiblen aber auch nachdrücklichen Eintreten von Magrete Wulf-Slabaugh für die einzelnen Einrichtungen zu verdanken, dass Autonomie und Selbstverständnis der jeweiligen Häuser respektiert wurden.
„Neue Kultursenator*innen führte Magrete Wulf regelmäßig durch die MOTTE und zeigte ihnen mit großer Begeisterung die Werkstätten, insbesondere die für Buchdruck und Fahrrad. Sie hat es geschafft, die „Marke Stadtteilkultur“ in der Hamburger Politik und Verwaltung zu etablieren und berichtete immer gern –
berechtigterweise nicht ohne Stolz –, dass alle Regierungsprogramme seit Ende der 1970er Jahre deren Bedeutung für die Stadt hervorgehoben hätten.“
Tobias Behrens, seit 1976 Mitglied in der MOTTE; hauptamtlich tätig von 1984 bis 1992 im Bereich Veranstaltungen und Geschäftsführung; von 1993 bis 2021 Geschäftsführer von STATTBAU Hamburg
Magrete Wulf-Slabaugh hat es geschafft, gemeinsam mit Stadtteilkulturzentren, Geschichtswerkstätten und Engagierten aus zahlreichen Projekten die Marke „Stadtteilkultur“ in Hamburg bei Politik und Verwaltung zu etablieren. Wir sagen: „Danke, Magrete“.