Kultur und Nachhaltigkeit – Soziokultur für eine nachhaltige Entwicklung

Auch wenn aufgrund aktueller Krisen die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit in den letzten Monaten vielfach in den Hintergrund getreten ist, begegnet uns der Begriff ständig. Alles ist „nachhaltig“ – vom Frühstück, über die Mobilität bis hin zum Kulturgenuss. Doch worüber sprechen wir eigentlich genau, wenn Nachhaltigkeit oder eine nachhaltige Entwicklung das Thema ist?

Autorin: Dr. Annett Baumast

Immer häufiger werden die sogenannten Sustainable Development Goals, die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen – kurz SDGs oder 17 Ziele oder auch Agenda 2030 genannt – zur Orientierung herangezogen. Sie beinhalten das heute international vereinbarte und gültige Leitbild für eine nachhaltige Entwicklung und wurden im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet, um den Zeitraum von 2015 bis 2030 abzudecken. Den siebzehn Zielen untergeordnet sind insgesamt 169 Unterziele und sie folgen auf die acht sogenannten Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs), die den Zeitraum von 2000 bis 2015 abdeckten. Während sich die MDGs vor allem an Länder richteten, die sich in der wirtschaftlichen ­Entwicklung befanden, sind die SDGs klar an uns alle gerichtet, wie die Bundesregierung schreibt: „Die 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030, die Sustainable Development Goals (SDGs), richten sich an alle: die Regierun­gen weltweit, aber auch die Zivilgesellschaft, die Privatwirtschaft und die Wissenschaft.

Eines der Ziele soll hier hervorgehoben werden: Ziel 17 ­fordert „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“ und macht damit deutlich, dass wir nur gemeinsam an einer nachhaltigen Entwicklung arbeiten können. Es ist notwendig, Netzwerke zu knüpfen, auch und gerade in der Kultur, in der einige der Ziele, wie beispielsweise Ziel 4 „Hochwertige Bildung“ oder Ziel 3 „Gesundheit und Wohlergehen“ eine besondere Rolle spielen. Die Ziele lassen sich zudem den drei „klassischen“ Dimensionen der Nachhaltigkeit zuordnen: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Diese sind aus der inzwischen als allgemeingültig angesehenen „Brundtland-Definition“ entstanden, die im Bericht der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung Ende der 1980er Jahre erstmals veröffentlicht wurde. Sie benennt, dass zukünftige Generationen und auch die Generation, die heute mit uns auf dem Globus lebt, ausreichende Möglichkeiten haben sollen, um ihre Bedürfnisse befriedigen zu können. Im Kern trägt eine nachhaltige Entwicklung also das Thema der sozialen Gerechtigkeit in sich, was oft vergessen wird, weil wir vielfach lediglich über die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit sprechen.

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, Grafik: Vereinte Nationen Deutschland

Was hat das mit Kultur zu tun? Auch verschiedene Kultureinrichtungen nutzen mittlerweile die SDGs als Orientierungshilfe für das eigene Nachhaltigkeitsengagement. So hat sich beispielsweise die Frankfurter Brotfabrik mit den SDGs auseinandergesetzt und für sich erarbeitet, was einige der 17 Ziele konkret für sie bedeuten. Zum Ziel 4 „Hochwertige Bildung“ heißt es da zum Beispiel: „Neben unserem Konzertveranstaltungen möchten wir, dass auch bildungspolitische und gesellschaftlich relevante Themen in unserem Programm einen festen Bestandteil haben. Das in unregelmäßigen Abständen stattfindende und kostenlose Veranstaltungsformat „Politik im Foyer“ konnten wir bereits realisieren. Wir denken aber, dass unser Programm, das zur Aufklärung und Informationsvermittlung beiträgt, noch ausbaufähig ist!“

Die sehr komplexen 17 Ziele mit ihren 169 Unterzielen ­werden auf diese Weise heruntergebrochen auf die Frage, was ein soziokulturelles Zentrum konkret beitragen kann, was die Inhalte der Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit sind und auch, welche Indikatoren helfen könnten, um die (eigene) Zielerreichung nachzuvollziehen.

Im Rahmen des Forschungsprojekts „Jetzt in Zukunft“ der Universität Hildesheim ist eine Handreichung für Soziokulturelle Zentren entstanden, welche, angelehnt an den Deutschen Nachhaltigkeitskodex, die strukturierte Auseinander­setzung mit Nachhaltigkeit im eigenen Betrieb begleitet und unterstützt. Dabei versteht sich die Handreichung als eine Möglichkeit, sehr schnell ins Handeln zu kommen und die ­eigenen Praxis im Hinblick auf die genannten Nachhaltigkeitsdimensionen zu hinterfragen und Maßnahmen zu entwickeln. Auch der Abschlussbericht des Projekts beinhaltet viele praktische Hinweise für eine an einer nachhaltigen Entwicklung ausgerichteten Soziokultur.

Aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich beinhalten unter anderem die kürzliche Gründung der Anlaufstelle Green Culture, an der auch der Bundesverband Soziokultur mitgearbeitet hat, die Kultur-Akteur*innen Weiterbildungsangebote und Tools zur Betriebsökologie zur Verfügung stellen soll. Ebenso wurde gerade ein kostenloser CO2-Rechner für die Kultur veröffentlicht, der auf Spezifika des Kulturbetriebs eingeht.

In Bezug auf die soziale Nachhaltigkeit sind an dieser Stelle unbedingt noch die sogenannten „Inner Development Goals“, die IDGs, zu nennen. Diese bezeichnen Transformations­kom­petenzen, die wir benötigen, um an den SDGs zu arbeiten und so zu ihrer Erreichung beitragen zu können. Insgesamt werden 23 Skills benannt, die den Bereichen „Sein“, „Denken“, „Beziehung“, „Zusammenarbeit“ und „Handeln“ zugeordnet sind. Und gerade bei Kompetenzen wie beispielsweise „Mitgestaltungs­fähigkeiten“, „Inklusive Denkweise und interkulturelle Kompetenz“ oder „Kreativität“, die in diesen Bereichen zu finden sind, ist die Stadtteilkultur geradezu prädestiniert, um diese zu entwickeln und zu stärken.

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