Der alltägliche Ausschluss

Rassismus ist nicht nur ein individuelles Vorurteil, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis und damit in allen Menschen verankert. Das müssen wir anerkennen, wenn wir Rassismus gelingend entgegenwirken wollen.

Autorin: Awista Gardi

Wenn Menschen den Begriff „Rassismus“ hören, denken sie häufig an das sogenannte rechte Milieu oder an körperliche Übergriffe. Rassismus ist jedoch viel mehr als das. Er ist tief in gesellschaftliche Strukturen verwurzelt, omnipräsent und tritt mitunter auf subtile Weisen auf.

Rassismus ist, wie die Psychologin Birgit Rommelspacher 2011 zusammenfasste, „ein System von Diskursen und Praxen, die historisch entwickelte und aktuelle Machtverhältnisse legitimieren und reproduzieren.“ Er zeigt sich darin, wie gesellschaftlich über Themen (nicht) gesprochen wird und artikuliert sich in historisch gewachsenen Handlungen, die gesellschaftliche Ausschlüsse legitimieren. Rassismus ist nicht nur ein individuelles Vorurteil, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis und mit Machtdifferenzen verbunden.

Rassismus kann sowohl intentional und unintentional (re)produziert werden. Es geht bei der Feststellung, ob eine Handlung rassistisch ist oder nicht, nicht um die Absicht der ihn ausübenden Person, sondern um die Wirkung, die diese Praxis entfaltet.

Nicht nur körperliche, sondern auch (zugeschriebene) kulturelle und religiöse Eigenschaften sind Gegenstand rassistischer Grenzziehungen. Hierbei ist an die Stelle des Konzeptes der „Rasse“ das Konzept der „Kultur“ getreten. Gruppen werden im Rahmen des Kultur-Rassismus entlang nationaler Grenzen unterschieden. Dabei werden vermeintlich universalistische und fortschrittliche sowie vermeintlich partikularistische und primitive Kulturen konstruiert und hierarchisch differenziert. Durch den Kulturbegriff konnte der tabuisierte Rassebegriff abgelöst und Rassismus ein Stück weit unsichtbar gemacht werden. Zugleich werden durch den Kulturbegriff rassistische Identifikationen fortgeführt.

Der Begriff des Alltagsrassismus soll auf besonders subtile, alltägliche und normalisierte Formen aufmerksam machen, durch die sich Rassismus als erlernte Wahrnehmungs- und Handlungsoption zeigt. Alltagsrassismus zeigt sich in den Gesten, Blicken, Kommentaren und Handlungen von Menschen und erscheint oft vermeintlich positiv, neugierig oder neutral, wie beispielsweise die Frage nach der Herkunft einer Person. Da Handlungen im Rahmen des Alltagsrassismus, die Menschen als Andere markieren und aus dem gesellschaftlichen Wir ausschließen, als normal gelten, wird ihre Gewaltförmigkeit verschleiert und häufig nur von den Betroffenen wahrgenommen.

Nach Professor Claus Melter wird Rassismus gesellschaftlich primär „nicht thematisiert“ und „in seiner Alltäglichkeit und institutionellen Verankerung nicht wahrgenommen“. Rassistische Strukturen innerhalb der deutschen Gesellschaft bleiben folglich weitgehend unbenannt, was ihre Tradierung mehrheitlich ungebrochen ermöglicht.

Wenn nach Umgangsmöglichkeiten mit (Alltags-)Rassismus gesucht wird, müsste ein erster Schritt zunächst die Durchbrechung dieser tabuisierenden Dethematisierung sein. Rassismus müsste als ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und somit auch als ein Teil der eigenen Denk- und Verhaltensweisen anerkannt werden.

Der Umgang mit (Alltags-)Rassismus erfordert ein langfristiges und strukturelles Umdenken. Dabei ist es relevant, Rassismus nicht als Ausnahmephänomen oder Einzelfall zu konstruieren, sondern seine Alltäglichkeit und Normalität anzuerkennen. Eben diese Normalität und strukturelle Verankerung gilt es dann in einem nächsten Schritt zu problematisieren.

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