Ignorieren ist keine Option

Wie geht ein soziokulturelles Zentrum damit um, immer wieder von Rechtsaußen angegriffen zu werden – zunehmend auch auf juristischer Ebene? Sophie Arnold und Christian Thomas vom soziokulturellen Zentrum RABRYKA in Görlitz vermittelten in ihrem Workshop „Soziokultur und Demokratie in Ost und West“ anhand real vorgefallener Szenarien Reaktions- und Lösungsstrategien für eine resiliente Soziokultur.

Autorin: Verena Reygers

Besprechung der Szenarien in Arbeitsgruppen, Foto: Miguel Ferraz

Auf dem Gelände eines alten ­Waggonbauwerks in Görlitz wird die RABRYKA seit 2013 ehrenamtlich betrieben und ist seit 2017 als soziokulturell gefördertes Zentrum aktiv. Mit dem Erstarken der rechtsextremen Kräfte in Ostsachsen wurde auch die Arbeit des Kulturzentrums immer herausfordernder. Nach einem vorbereitenden Webinar in der Woche vor dem Hamburger Ratschlag Stadtteilkultur haben Sophie Arnold und Christian Thomas für ihre beiden Workshop-Runden vier Szenarien mitgebracht, die in den vergangenen Jahren so oder in vergleichbarer Art die Arbeit des RABRYKA herausgefordert, verunglimpft und konkret gefährdet haben – bis hin zur wiederholten Drohung, das Zentrum zu schließen.

Vier gelbe Umschläge warteten im ­Seminarraum im ersten Stock der LOLA auf die Teilnehmenden, die sich entsprechend in Kleingruppen aufgeteilt hatten. In den Umschlägen fanden die Teilnehmenden vier verschiedene Szenarien zu den Kategorien Kommunalpolitik, Zivil­gesellschaft, Neutralität und Kunstfreiheit. Innerhalb von 20 Minuten sollten nun mögliche Reaktions- und Lösungsstrategien entwickelt werden.

Das Szenario Kommunalpolitik beschrieb, wie eine gesichert rechtsextreme Partei mit einem Drittel Stimmenanteil im Stadtrat den Betrieb der soziokulturel­len Einrichtung kündigen wollte, nachdem ein inklusiver Aufklärungsfilm als Porno diffamiert worden war. Folgende Lösungsvorschläge wurden angeboten: a) eine öffentlich-wirksame Kampagne zu starten, b) den Kündigungsantrag in der Hoffnung zu ignorieren, die Sache erledige sich von selbst oder c) in Hintergrundgesprächen den Kündigungsantrag zu verhindern. In der Gruppe wurde schnell klar, dass, den Antrag zu ignorieren, keine Option wäre. Auch gegen eine öffentlichkeitswirksame Kampagne entschied sich die Gruppe – was in einem Stadtteil wie Winterhude hätte funktionieren können, läuft in einem Stadtteil mit hohem AfD-Wählenden-Anteil wie Neualler­möhe Gefahr, aus dem Ruder zu laufen.

Lösungsvorschläge werden notiert, Foto: Miguel Ferraz

In der Gruppe Zivilgesellschaft berieten die Teilnehmenden derweil darüber, wie sie mit einer bereits bestätigten Vermietung umgehen sollen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Mie­ter*in­nen einer reichsbürgernahen Organisa­tion angehörten. Auch in den Gruppen Kunstfreiheit und Neutralität wurde diskutiert: Ein*e Künstler*in hatte bei einem Auftritt im Kulturzentrum in einem Song einer AfD-Politikerin Gewalt angedroht und eine lokale Initiative, die den jährlichen CSD organisiert, hatte das soziokulturelle Zentrum um eine Trägerschaft gebeten, um den Fortbestand des CSD zu sichern.

Schließlich stellen die Kleingruppen ihre Ergebnisse vor: Die Gruppe Kommunalpolitik hatte sich für die Lösung entschieden, mit den anderen Parteien im Stadtrat Hintergrundgespräche zu führen, um die Abstimmung für den Antrag zu verhindern. Sophie und Christian nickten: Genauso hatten sie es in der RABRYKA im März 2024 auch gemacht, um mit Hilfe der Stimmen der CDU den Antrag der AfD zu verhindern – eine klar demokratische Methode.

Die Gruppe zum Szenario Zivilgesellschaft hatte erarbeitet, dass sie in Zukunft bei Vermietungsanfragen nicht so schnell zusagen und ggf. auch die Satzung soweit ändern, dass eine Vermietung an Organisationen oder Gruppen, die nicht satzungskonform agieren, abgelehnt werden kann. In der RABRYKA hat man sich damals gegen die Vermietung entschieden und das offen an die Mieter*innen kommuniziert. Mögliche Schadensersatzansprüche konnten dadurch abgewendet werden, dass eine andere Location für die Veranstaltung gefunden werden konnte.

Vorstellung der Ergebnisse, Foto: Miguel Ferraz

Überrascht zeigte sich die Gruppe Kunstfreiheit darüber, dass ein Songtext, in dem konkret Gewalt angedroht wird, nicht unter besagte Kunstfreiheit fällt. In der RABRYKA prüften sie seit diesem Vorfall noch genauer, welche Künstler*in­nen welche Inhalte präsentieren. Überhaupt seien sie vorsichtiger geworden und würden manche Inhalte anpassen, um weniger angreifbar zu sein, erzählte Sophie, während Christian betonte, nicht in Selbstzensur verfallen zu wollen.

Im Workshop zeigte sich der komplizier­te Spagat, den soziokulturelle Institu­tionen beherrschen müssen, um den ­Herausforderungen durch das Erstarken der extremen Rechten zu begegnen. Dazu gehöre neben dem noch bewussteren Umgang mit künstlerischen Inhalten auch die Professionalisierung von Abläufen z. B. bei Vermietungen oder die Überarbeitung der Satzung, um sich juristisch abzusichern.

Gleichzeitig sei es wichtig, sich nicht nur mit den „Bedrohungsszenarien“ zu be­schäftigen, sondern mit der eigentlichen soziokulturellen Arbeit. Hier sei es auch wichtig, die Menschen davon zu über­zeugen, dass Zentren wie die RABRYKA keine „linken“ Orte seien, sondern alle Menschen, die demokratische Werte leben, einladen, diese Orte mitzugestalten.

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