Editorial zu „Für eine offene Gesellschaft“

Liebe Kulturinteressierte,

Wir sind stolz, Ihnen mit dieser Ausgabe nicht nur die Nummer 40 unseres Magazins zu überreichen – im Dezember vor 40 Jahren wurde auch der Verband unter dem Namen „Arbeitsgemeinschaft Stadtteilkultur“ gegründet. Die Feierlichkeiten sind in Planung.

Wenn dieser Tage der Bundestag neu gewählt und damit auch die Machtverhältnisse in Deutschland neu festgelegt werden, dann wird man vermutlich das Gefühl haben, noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen zu sein: Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung lehnt eine Mehrzahl der Deutschen populistische Positionen ab. Zwar sind der Studie zufolge knapp 30 Prozent der Deutschen populistisch eingestellt. Im Vergleich zu den USA, Frankreich und anderen westlichen Ländern zeigt sich aber, dass die grundlegende Kritik an der etablierten Politik und dem demokratischen System deutlich schwächer ausgeprägt ist.

Aber Fremdenfeindlichkeit und rechtsradikale Einstellungen fallen auch in Deutschland besonders dort auf fruchtbaren Boden, wo die Gelegenheiten zum persönlichen Kontakt und zum Miteinander gering sind. Deshalb braucht es die Begegnung, die Einbeziehung und die Teilhabe und Mitgestaltung ­aller – alter und neuer Nachbarn, junger und alter Menschen, mit und ohne Behinderung und unabhängig davon, welche Eigenschaften sie sonst noch mitbringen.

Eine offene, freie und vielfältige Gesellschaft bleibt dabei ein offener Prozess, zu dem Kultur vieles beitragen kann. Gerade der Stadtteilkultur ist die Teilhabe und die Prozesshaftigkeit in die DNA eingeschrieben. Stadtteilkultur schult Kompetenzen wie Kritikfähigkeit, Toleranz und Kreativität, ermöglicht Begegnungen, erlaubt kulturelles und politisches Engagement auch ohne Parteizugehörigkeit und schult in vielen Aktivitäten demokratisches Verhalten. Politische Propaganda hat wenig Chancen, wo eigenes Denken sich frei und offen entfalten kann.

Deshalb werden wir uns auch in den nächsten Monaten weiter intensiv mit dem Thema auseinandersetzen – bei der Jahreskonferenz des Verbandes und einer Tagung anlässlich unseres Jubiläums.

Eine erkenntnisreiche Lektüre in unserem Jubiläumsheft
und eine gute Wahl wünscht

Corinne Eichner, Geschäftsführerin

TEILEN MIT: