Unterbrechung der Routinen oder vom gelassenen Mut zu handeln

Anforderungen an interkulturelle Öffnungsprozesse – wenn Kunst und Kultur ihrem Anspruch und Auftrag nachkommen möchten, für alle da zu sein, müssen Handlungspraxen und Strukturen hinterfragt werden, die genau das verhindern.

Autorin: Lena Nising

Alle Institutionen müssten sich fragen, ob sie Personen, egal welcher Herkunft, die gleichen Chancen auf Teilhabe einräumen. Nur so könne angemessen auf kulturelle Vielfalt reagiert werden. Das forderte Migrationsforscher Mark Terkessidis, als er in der W3 über interkulturelle Öffnung sprach. Daher brauchen wir auch im kulturellen Bereich einen neuen Blick auf die Gesellschaft von heute. Einen Blick, der vielschichtige Lebensrealitäten, marginalisierte Perspek­tiven und postmigrantische Strategien u.a. auch in Kultur­programmen und Angebotsgestaltungen sichtbar macht und die Existenz von Selbstrepräsentationen anerkennt.

Doch noch viel zu selten finden sich die vielfältigen Prägungen der Gesellschaft auf der Bühne, in soziokulturellen Zentren, in Ensembles wieder. Welche Diskurse werden ­repräsentiert? Wer spricht über wen? Wieso zeichnen sich Leitungsebenen oder Entscheidungsgremien so selten durch Vielfalt aus? Wenn Kunst und Kultur ihrem Anspruch und Auftrag nachkommen möchten, für alle da zu sein, müssen Hand­-lungspraxen und Strukturen hinterfragt werden, die genaudas verhindern. Interkulturelle Öffnung darf daher nicht nur „nice-to-have“ sein, sondern setzt eine klare Entscheidung für eine Ver­än­derung voraus, eine ehrliche Antwort auf die Frage: Wollen wir uns wirklich öffnen oder nur so tun als ob?

Interkulturelle Öffnung lässt sich nicht nur abhandeln mit einem schillern­den Leitbild, das allein auf dem Papier existiert, aber nicht Herzen und ­Strukturen erreicht, sie ist ­keine Projekt-Checkliste, die es einfach abzuhaken und abzulegen gilt. Sondern interkulturelle Öffnung ist ein Lernprozess, eine bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen (institutionellen) Kulturgebundenheit, mit dem Ziel, die Orientierung an der Mehrheitskultur als alleinigen Maßstab für das eigene Wahrnehmen und Handeln in Frage zu stellen und sich als Institution für die Begegnung und Auseinandersetzung mit Menschen unterschiedlicher ­kultureller Prägung zu öffnen.

Neben der Umkehrung der Blicke gilt es, alte Arbeits­tei­lungen zu hinterfragen, Routinen zu unterbrechen, institu­tio­nelle Rituale zu verändern und Perspektiven, aus denen heraus Deutungen entstehen, sichtbar zu machen. Ein Podium oder eine Eröffnungsrede einmal anders zu besetzen und dadurch neue Denk- und Handlungsperspektiven aufzuzeigen – das könnte beispielsweise ein erster Schritt hin zu einer Viel­stimmigkeit sein.

Diese Wege erfordern immer auch Mut – einen gelassenen Mut zu handeln und Fehler zu machen. Mut, sich auf einen kreativen Lernprozess einzulassen und das eigene Handeln zu reflektieren. Und die Bereitschaft und Offenheit, sich dabei immer wieder verunsichern zu lassen und daraus für das nächste Mal zu lernen (vgl. Mecheril, Paul; Einführung in die Migrationspädagogik, Beltz, Weinheim und Basel 2004: 225). In diesem Sinne – Seien Sie mutig und nehmen Sie sich die Zeit, Fragen an Selbstverständlichkeiten zu stellen – denn dies kann ein erster Schritt sein, um Routinen aufzu­brechen und anderen Möglichkeiten und Perspektiven Raum zu geben!

Kontakt:
W3 – Werkstatt für internationale Kultur und Politik e.V., Nernstweg 32–34, 22765 Hamburg, 040/39 80 53-60, , www.werkstatt3.de

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