Übernachten für die Kultur

Die KULTURTAXE ist mittlerweile ein deutschlandweites Erfolgsmodell. Zahlreiche Kommunen haben diese Art der Besteuerung von Übernachtungen eingeführt. Thomas Mehlbeer, ehemaliger Geschäftsführer von STADTKULTUR HAMBURG und Referent für Kulturpolitik der Grünen Bürgerschaftsfraktion, erläutert das Modell ­Kulturtaxe. Anfang 2013 soll die Taxe nun auch in Hamburg eingeführt werden.

Autor: Thomas Mehlbeer

Weimar war der Vorreiter. Bereits 2005 führte die bekannte Kulturstadt in Thüringen als allererste Kommune eine Kulturförderabgabe ein. Die Abgabe sollte bei sinkenden Kulturetats die kulturellen Einrichtungen absichern. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) arbeitete intensiv an der Entwicklung mit. Denn soviel war klar, Weimars Kultur ist für die Attraktivität der Stadt unabdingbar. Mit den Einnahmen konnte das Stadtmuseum gerettet werden und zahlreiche andere Projekte erhielten zusätzliche Unterstützung. Auch wenn die DEHOGA dies heute als Sündenfall bezeichnet, den Übernachtungszahlen schadete die Steuer nicht, im Gegenteil, bereits ein Jahr nach Einführung stiegen sie auf ein Rekordniveau.
So zahlreich die Kommunen, die die Kulturtaxe eingeführt haben, so zahlreich ist auch deren individuelle Ausgestaltung, bei der nicht nur die Art der Erhebung, sondern vor allem auch die Art der Verwendung der Gelder stark variiert.

Fakt ist: Die Kulturtaxe ist rechtlich eine Aufwandssteuer und kann als solche nicht unmittelbar an einen Verwendungs-zweck gekoppelt werden. Theoretisch kann sie also auch zur Straßensanierung verwendet werden.

Die Idee zur Einführung einer Kulturtaxe in Hamburg hatten die Grünen zum Ende der letzten Legislaturperiode. Hamburg musste in allen Bereichen Einsparungen erbringen. Es stellte sich damals die Frage, wie man den Haushalt einerseits sanieren und andererseits der gravierenden Unterfinanzierung im Kulturetat begegnen könne. Nach dem Regierungswechsel beantragten die Grünen die Einführung einer Kulturförder­-
abgabe nach dem Vorbild von Weimar mit der Bedingung, dass 100 % der Einnahmen in die Kultur fließen sollten.

Der Senat geht bei Einführung der Kulturtaxe davon aus, dass im ersten Jahr ca. zwölf Millionen Euro ins Stadtsäckel fließen. Über die Verwendung wird bis heute gestritten. Das Geld soll nach dem Gesetzesentwurf des Senats zur einen Hälfte für die Kultur, die andere Hälfte soll zur Förderung des Tourismus, des Stadtmarketings, des Sports und der Medien verwendet werden. Maßstab für die Verwendung der Einnahmen für den Kulturbereich ist deren Beitrag für die kulturelle Attraktivität Hamburgs. Kultur ist neben der Frage der sozialen Sicherheit und der ökologischen Qualität ein wichtiger Standortfaktor für die Zukunft einer Metropole, denn sie prägt die Lebensqualität entscheidend.

Doch wie definiert sich die kulturelle Attraktivität einer Stadt? Aus Sicht der Tourismusbranche sind es vor allem Massenspektakel – also Großevents aller Art – die Touristen anlocken und den Hotels, Restaurants und dem Einzelhandel unmittelbar einen wirtschaftlichen Mehrwert schaffen. Dies tun neben den Musicals auch Hamburgs Kulturfestivals, Sonderausstellun-gen und überregional strahlende Theaterproduktionen.

Dieser Blick greift jedoch zu kurz. Denn zur Lebensqualität in einer Metropole gehört mehr als ihre touristische Anziehungskraft. Kulturelle Attraktivität wird geprägt von unserer Alltags-kultur, von der Art und Weise wie wir leben, wie wir kulturelle Vielfalt wertschätzen und gestalten. Und das kann Hamburg: Kaum eine Stadt hat so attraktive und lebenswerte Szenen und Stadtteile. Lokale Kultureinrichtungen tragen wesentlich zu deren Entwicklung und Erhaltung bei. Auch die freie Kulturszene, die sich abseits der etablierten Häuser bewegt, sowie Hamburgs Club- und Offkulturorte prägen das kulturelle Gesamtbild der Stadt mehr als die Massenspektakel im Zentrum.

Hier liegt die Chance der Stadtkultureinrichtungen. Sie machen Hamburg in der Breite attraktiv, sie sind die lokalen Bindeglieder in einer interkulturellen Gesellschaft, sorgen für den kulturellen und sozialen Zusammenhalt. Sie sind Kristallisationspunkte für kulturelles Engagement und geben Antworten auf die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen. Festivals wie die altonale, STAMP, Kaltstart oder die Billevue sind attraktive
Anziehungspunkte und Gestaltungsfelder für Hamburgs Bewohner in den Stadtteilen und prägen die kulturelle Attraktivität in ganz Hamburg.

Zurück zum aktuellen Gesetzesentwurf: Da die Einnahmen aus der Kulturtaxe nicht dauerhaft zweckgebunden eingesetzt werden können, obliegt die Entscheidung zur Mittelverwendung dem Senat. Alle Fachbehörden können Verwendungsvorschläge einreichen, die vorab dem Aufsichtsrat von Hamburg Touris-mus zur Beratung vorgelegt wurden. Dann werden im Senat die Vorschläge abschließend entschieden. Mindestens 50 %
der geförderten Vorhaben sollen den Schwerpunkt Kultur haben. Fraglich bei diesem Verfahren ist, inwieweit fachliche Argumente die Verteilung festlegen, oder ob nach dem Prinzip „Teile und Herrsche“ vorgegangen wird. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Kulturtaxe zur Haushaltskonsolidie-rung herangezogen wird.

Die Kulturtaxe wird in Hamburg zum 1. Januar 2013 eingeführt. Erste Ausgaben werden dann schon 2013 aus der Taxe getätigt. Was heißt das konkret für die Finanzierung von Stadtteilkultur-Projekten? Eine Perspektive bietet die vom Senat für 2013 geplante Einführung eines Elbekulturfonds mit einem Volumen von 300.000 Euro. Er soll innovative Projekte aller Sparten fördern, also theoretisch auch Stadtteilkulturprojekte. Das Geld soll über ein Juryverfahren verteilt werden. Personen, Kriterien und Fristen sind aber noch nicht benannt.

In Berlin existiert mit dem Hauptstadtkulturfonds ein ähnliches Modell. Mit einem wesentlichen Unterschied: Dort werden knapp zehn Millionen Euro Bundesmittel durch den Fonds verteilt. Bei rund 12 Millionen Einnahmen aus der Kulturtaxe wirken die 300.000 Euro in Hamburg dagegen schon ein wenig knauserig.

Kontakt:
Kulturmanagement und -beratung, Thomas Mehlbeer, 04105/690 30 21, 0177/298 26 78,

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